Die Akteure der Ersten Marxistischen Arbeitswoche (Frankfurt a. M.)

So unterschiedlich die Biographien der TeilnehmerInnen der Ersten Marxistischen Arbeitswoche im Anschluss an 1923 verliefen – zu vielen gehörte Verfolgung, Verschleppung und auch Ermordung –, verarbeitete dieses erste Theorieseminar des Frankfurter Institus für Sozialforschung doch eine geteilte Erfahrung, welche die kritische Theorie in ihrer Herausbildung wesentlich mitbestimmte: Die Ahnung, dass die vermeintlich in Kürze zu erwartende Revolution im Westen doch ausbleiben würde. Der Workshop umreißt in einer Einführung die Hintergründe und Umstände der ersten marxistischen Arbeitswoche und verfolgt anhand dreier exemplarischer Personenstudien – Karl Korsch, Friedrich Pollock und Karl August Wittfogel – die unterschiedlichen Reflexionsansätze auf die historisch, politisch und theoretisch notwendige Revision des überkommenen Marxismus. Korsch, auf dessen Anregung die Erste Marxistische Arbeitswoche überhaupt stattfand, hatte kurz zuvor mit „Marxismus und Philosophie“ eine beißende Kritik an den „reformistische[n] und bürgerliche[n] Mißbildungen“ des wissenschaftlichen Marxismus veröffentlicht, die die Notwendigkeit einer Neubelebung der materialistischen Dialektik offenbarte. Demgegenüber arbeitete sich der Ökonom Friedrich Pollock an marxschen Begriffen und der Frage nach deren Geltung und Korrekturbedarf ab. Er beendete kurz vor der Arbeitswoche seine Dissertation „Zur Geldtheorie von Karl Marx“, in der er Fragen um Wert- und Fetischkritik behandelt und Begriffsarbeit an Marx selbst gegen eine marxistische Orthodoxie leistet. Karl August Wittfogel schließlich reagierte auf das „gegenwärtige Krisenproblem“ mit einer Betonung des Naturmoments in der Wirtschaftsgeschichte und weckte damit – wohl auch gegen seine eigene Intention – ein Bewusstsein für Kontingenz im historischen Materialismus. Seine Arbeiten zur „asiatischen Produktionsweise“ stellen die universelle Übertragbarkeit des Entwicklungsgangs der westeuropäischen Gesellschaften auf alle Weltregionen in Frage.

Im Workshop sollen Werk und Wirken der Autoren nicht bloß ideengeschichtlich rekonstruiert, sondern auch in ihrer Bedeutung für die Ausrichtung und Entwicklung der kritischen Theorie befragt werden, wobei weniger die Gemeinsamkeiten, sondern gerade auch die Differenzen zwischen den Überlegungen der Autoren im Vordergrund stehen werden.

Luise Henckel hat Kulturwissenschaften, Politikwissenschaft und Politische Theorie studiert und lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. Sie hält Vorträge und veröffentlicht zu (linkem) Antisemitismus, materialistischer Staatskritik und der politischen Theorie der kritischen Theorie.

Ronja Rossmann studiert Philosophie im Master an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Sie arbeitet zu kritischer Theorie mit einem Schwerpunkt auf Ökonomiekritik und Erkenntnistheorie.

Michael Heidemann ist Lehrbeauftragter am Institut für Philosophie in Oldenburg und publiziert u. a. in der sans phrase – Zeitschrift für Ideologiekritik.

Veranstaltungen
Institut für Sozialforschung (IfS), 26, Senckenberganlage, Westend Süd, Innenstadt 2, Frankfurt am Main, Hessen, 60325, Deutschland Map