Subjekt und Befreiung: Der Subjektbegriff in der „Dialektik der Aufklärung“ (Frankfurt a. M.)

Buchvorstellung & Diskussion mit Johannes Bruns und Andreas Stahl

Die Arbeit an der Dialektik der Aufklärung wie auch ihre Veröffentlichung fanden noch während des zweiten Weltkrieges statt. Die Urteile der beiden Autoren, die Bestimmungen zum Begriff der Aufklärung mitsamt den Exkursen und Modellen, sind jedoch mitnichten bloß auf den Nationalsozialismus oder den Faschismus in Europa gerichtet, sondern sollen für die menschliche Geistesgeschichte hin zur modernen Gesellschaft damaliger Prägung insgesamt gelten. Die Darstellung hat zum Ziel, den Anspruch der nur scheinbar autonomen Reflexivität des aufklärerischen Denkens aufzudecken und diese damit über die sie bestimmende „Verflechtung von Rationalität und gesellschaftlicher Wirklichkeit, ebenso wie die davon untrennbare von Natur und Naturbeherrschung“, folglich also über sich selbst aufzuklären. Die historische Wirklichkeit des Nationalsozialismus zu erklären, abseits von bürgerlicher Verharmlosung zum bloß zufälligen Betriebsunfall der Geschichte, sollte gelingen durch die theoretische Darstellung der Ursünde subjektiver Entfremdung von Natur zu einem Gegenstand der Beherrschung. An der Ausführung dieses Anspruchs im Text von Horkheimer und Adorno soll modellhaft bestimmt werden, dass die Darstellung immer wieder irreflexiv gegenüber den eigenen theoretischen Grundlagen bleibt.

Der Vortrag will am Diktum Horkheimers anknüpfen, dass „[d]ie möglichst strenge Weitergabe der kritischen Theorie […] freilich eine Bedingung ihres geschichtlichen Erfolgs [ist].“ Strenge Weitergabe versteht er nicht als das Überreichen eines dogmatischen Katechismus, sondern selbst als kritische Aneignung der Tradition. In der Philosophie lässt sich dies nur denkend leisten, als tätiges Nachvollziehen der geschichtlichen Gestalten des Bewusstseins. Sind die Grundlagen wissenschaftlichen Erkennens durch Herrschaft und Naturverfallenheit desavouiert, der Geist nicht von seinem irrationalen Ausgang zu trennen, ist Theorie gegenüber den Geschehnissen in Gesellschaft und Natur notwendig blind. Bewusstlos vor der eigenen Geschichte werden die Subjekte, deren politischer Impuls sie im gemeinsamen Interesse an der Abschaffung der Herrschaftsverhältnisse zur Theorie treibt, nur noch zu Trägern einer höheren Gesinnung, für die sie keine Gründe mehr anzugeben vermögen.

Andreas Stahl wird darüber hinaus eine allgemeine Einführung in Sammelband „Subjekt und Befreiung“ geben.

Johannes Bruns studierte Philosophie in Hannover und Oldenburg. Sein Interesse gilt den theoretischen Grundlagen der Möglichkeit von kritischer Theorie: Klassische Philosophie, Kant und der deutsche Idealismus, Kritik der politischen Ökonomie, den Gestalten des Selbstbewusstseins und seiner Verfallsformen. Zuletzt veröffentlichte er im Band „Subjekt und Befreiung“ den Text „Bedingungen der Unbedingtheit. Bestimmungen zur Genese der Subjektivität in der ‚Dialektik der Aufklärung’“ (2022).

Andreas Stahl studiert Philosophie in Oldenburg. Er ist seit mehreren Jahren in der politischen Bildung aktiv und gab die Sammelbände „Konformistische Rebellen. Zur Aktualität des autoritären Charakters“ (2020), „Probleme des Antirassismus. Postkoloniale Studien, Critical Whiteness und Intersektionalitätsforschung in der Kritik“ (2022) und „Subjekt und Befreiung. Beiträge zur kritischen Theorie, Band 1“ (2022) mit heraus.

Eine Veranstaltung der GfkB Frankfurt a. M. in Kooperation mit dem AStA Frankfurt a. M.

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Ehemaliges Bauleitgebäude, Theodor-W.-Adorno-Platz, Westend Nord, Innenstadt 2, Frankfurt am Main, Hessen, 60323, Deutschland Map